Wie wir im Spannungsfeld von Belastung und Erholung handlungsfähig bleiben und was kleine Schritte dabei bewirken.
Im letzten Beitrag habe ich die Frage „Wofür?“ als Sinnfindung und zur Orientierung in herausfordernden Zeiten beleuchtet. Heute richte ich den Blick darauf, wofür unsere innere Widerstandskraft – unsere Resilienz – gebraucht wird und wie sie uns bei der Stressbewältigung unterstützt.
Resilienz bedeutet nicht, immer stark sein zu müssen oder alles klaglos wegzustecken. Vielmehr geht es darum, flexibel zu bleiben, wenn das Leben Druck ausübt und uns Stress macht. Im Privatleben ebenso wie im Arbeitsalltag ist diese innere Beweglichkeit eine entscheidende Ressource, besonders wenn es um den Umgang mit Stress geht.
Zwiespalt Stress
Stress gehört zu unserem Alltag. Er kann wie ein Antrieb wirken, manchmal aber auch wie ein Bremsklotz. Entscheidend ist nicht, ob wir Stress haben, sondern wie lange er anhält und – das ist die zentrale Frage – ob wir genügend Erholungspausen und Zeit zum physischen sowie mentalen Auftanken finden?
Stress ist auch ein Zeichen von Lebendigkeit und zeigt sich im Wechselspiel von Anspannung und Entspannung. Dieser Rhythmus ist lebenswichtig: im Schlaf-Wach-Zyklus, im Herzschlag zwischen Anspannung und Entlastung oder zwischen Ein- und Ausatmen. Genau dieser Wechsel von Aktivierung und Loslassen hält uns gesund, steigert unsere Leistungsfähigkeit und wird meistens angenehm und belebend empfunden.
Kurzfristig kann Stress wie ein Energieschub wirken: wir sind wacher, konzentrierter, erledigen Aufgaben, die wir sonst vielleicht aufschieben würden.
Bleibt dieser Zustand jedoch ohne Unterbrechung über einen längeren Zeitraum bestehen, kippt das Erleben. Körperliche Signale wie erhöhter Puls, Enge in der Brust, Schlafstörungen oder das Bedürfnis nach Ersatzhandlungen (übermäßiger Konsum von Alkohol, Nikotin, Zucker oder Medikamenten) nehmen zu. Aus positiver Aktivierung wird Erschöpfung, aus Motivation Gleichgültigkeit. In einer gefährlichen Spirale versuchen Betroffene oft, durch noch mehr Arbeit gegenzusteuern – bis hin zu Depressionen, Entwicklung schwerer Krankheiten oder einem Burn-out.
Stress ist individuell
Stress ist immer ein sehr individuelles Geschehen und entsteht aus dem Zusammenspiel von drei Ebenen (vgl. die „Stress-Ampel“ nach Kaluza):
- Stressoren: äußere Belastungen oder Situationen, die Druck erzeugen.
- Individuelle Stressverstärker: persönliche Bewertungen, Einstellungen, Glaubenssätze, kulturelle Überzeugungen, … die den Stress verstärken oder vermindern können.
- Stressreaktionen: körperliche und emotionale Antworten, wie zB Herzklopfen, Anspannung oder innere Unruhe.
Es ist also nicht die Situation allein, die Stress und Überforderung verursacht, sondern auch wie wir sie wahrnehmen und einordnen. Dieselbe Herausforderung kann für die eine Person belebend, für die andere lähmend wirken.

Stresskompetenz als Antwort
Um Stress zu verstehen und wirksam zu begegnen, hilft die Zuordnung des Stressgeschehens auf den gezeigten 3 Ebenen. Denn dort können wir überall ansetzen:
🚦 Instrumentelle Stresskompetenz
Praktische Lösungen im Alltag finden, Prioritäten setzen, „Nein“ sagen, Aufgaben strukturieren, Unterstützung organisieren.
🚦 Mentale Stresskompetenz
Stressoren im Kopf verändern, die Perspektive wechseln, Situationen reflektieren und relativieren, Positives und auch kleine Erfolge bewusst wahrnehmen, Sinn im Handeln erkennen, Dankbarkeit üben.
🚦 Regenerative Stresskompetenz
Für Ausgleich sorgen, Erholung, Bewegung, Entspannung, Schlaf, Hobbys oder kleine Pausen im Alltag.
Kleine Schritte, große Wirkung
In meiner Arbeit erlebe ich, wie stark schon kleine Veränderungen wirken:
- Ein klares „Nein“ in der Sache ist oft ein großes „Ja“ zur eigenen Gesundheit (instrumentell).
- Ein Perspektivenwechsel verändert den Blickwinkel und die innere Haltung (mental).
- Eine bewusst genutzte Mittagspause, ein Durchatmen beim offenen Fenster oder eine Achtsamkeitsübung zwischendurch, stärkt Konzentration und Gelassenheit für den Rest des Tages (regenerativ).
Es braucht keine großen Veränderungen, sondern es sind die bewussten kleinen Schritte, die wir als sinnvoll erleben. Sie halten uns handlungsfähig, stärken unsere Selbstführung und tragen zu einem Gefühl der Kohärenz bei – der inneren Überzeugung, dass das Leben auch zukünftig verstehbar, handhabbar und sinnvoll bleibt.
❓Welche Stresskompetenz nutzen Sie bereits bewusst und wo möchten Sie sich noch gezielt stärken?